Colchicin zur Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen
Colchicin zur Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen
Laut einem neuen Cochrane Review senkt eine niedrige Dosis des Gichtmittels Colchicin bei Menschen mit arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen das Risiko für einen erneuten Herzinfarkt oder Schlaganfall. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen hierzulande die häufigste Todesursache sind, könnte Colchicin eine einfach verfügbare und kostengünstige Ergänzung in der Behandlung von Hochrisikopatient*innen sein.
Colchicin, ein aus der Herbstzeitlosen gewonnenes, antiinflammatorisch wirksames Arzneimittel, wird bereits seit dem 5. Jahrhundert zur Behandlung der Gicht eingesetzt. Entzündliche Prozesse spielen jedoch auch bei arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine zentrale Rolle, bei denen es infolge von Plaque-Ablagerungen zu einer Verhärtung, Verdickung oder Lumeneinengung der Arterien kommt. Vor diesem Hintergrund wurde in mehreren Studien der vergangenen Jahre untersucht, ob eine niedrig dosierte Colchicintherapie bei Patient*innen mit bestehender koronarer Herzkrankheit oder nach Myokardinfarkt bzw. Schlaganfall das Risiko weiterer kardiovaskulärer Ereignisse reduzieren kann.
Zwölf dieser randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt knapp 23.000 solcher Herz-Kreislauf-Patient*innen wurden in dem neuen Cochrane Review ausgewertet. Die Teilnehmenden nahmen Colchicin über mindestens sechs Monate in einer niedrigen Dosierung von meist 0,5 mg einmal täglich ein. Etwa 80 % waren Männer, das Durchschnittsalter lag zwischen 57 und 74 Jahren. Die Hälfte erhielt Colchicin zusätzlich zu ihrer Standardtherapie, die andere Hälfte ein Placebo oder keine zusätzliche Behandlung zur Standardtherapie.
Der Review zeigt: Über einen Zeitraum von bis zu siebeneinhalb Jahren sank die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle durch das niedrig dosierte Colchicin. Pro 1.000 Behandelte traten ohne Colchicin 36 und mit Colchicin 27 Herzinfarkte auf, also neun weniger. Bei Schlaganfällen sank die Zahl von 22 (ohne Colchicin) auf 14 (mit Colchicin) pro 1.000 Behandelte. Der Wirkstoff verhinderte also acht Schlaganfälle. „Eine derartige Verringerung des Risikos kann für Menschen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko einen echten Unterschied bedeuten“, sagt Dr. Ramin Ebrahimi, Mitautor und Kardiologe an der Universitätsmedizin Greifswald. Das Autorenteam schätzt die 12 ausgewerteten Studien als methodisch so gut ein, dass sie die Vertrauenswürdigkeit dieser Ergebnisse als hoch einstufen.
Der Review zeigt jedoch ebenfalls, dass Colchicin vermutlich keinen Einfluss auf die Mortalität hat, weder auf die kardiovaskuläre noch auf die Gesamtsterblichkeit. Auch eine Reduktion des Risikos für Eingriffe zur Erweiterung der Koronararterien lässt sich durch die Colchicintherapie wahrscheinlich nicht erreichen.
Die Studie zeigte auch, dass Studienteilnehmer*innen, die Colchicin einnahmen, häufiger an Magen-Darm-Problemen wie Durchfall und Übelkeit litten als jene, die keines erhielten. Diese unerwünschten Wirkungen waren jedoch meist mild und klangen rasch ab.
Hinsichtlich der Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Ereignisse zeigten sich zwischen einer niedrig dosierten Colchicintherapie und der alleinigen Standardbehandlung keine Unterschiede. Dieses Ergebnis stützt sich jedoch lediglich auf vier Studien. Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie zur Rate zusätzlicher Hospitalisierungen lagen nicht vor. Entsprechend weisen die Autor*innen auf den Bedarf weiterer Studien mit längerer Nachbeobachtungsdauer hin.
Colchicin
Aus der langjährigen Anwendung in der Gichttherapie ist bekannt, dass Colchicin bereits bei geringer Überdosierung eine ausgeprägte Toxizität aufweist. Unter anderem kann es zu schweren Störungen Blutbildung im Knochenmark kommen. Entsprechend ist eine präzise Dosierung erforderlich, was insbesondere bei Patient*innen mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion eine besondere Herausforderung darstellt. Im klinischen Alltag sind zudem relevante Arzneimittelinteraktionen zu berücksichtigen. So kann es bei gleichzeitiger Einnahme von Colchicin und anderen häufig verordneten Medikamenten, etwa Statinen, zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen. Da Statine zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse breit eingesetzt werden, besteht bei der Kombination das Risiko, dass das die Muskulatur beeinträchtigt oder gar schwer schädigt.
Originalpublikation
Der neue Cochrane Review in voller Länge: https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD014808.pub2/full Quelle: Mitteilung von Cochrane Deutschland vom 14.11.2025
Ergänzende Anmerkungen zu Colchicum
Zu Colchicum ist natürlich auch aus homöopathischer Sicht Einiges beizutragen. Eingeführt in die homöopathische Materia medica wurde es vom Hahnemann-Schüler Ernst Stapf, der die (unter Mitwirkung von Hahnemann durchgeführte) Arzneimittelprüfung 1826 im 6. Band seines „Archivs für die homöopathische Heilkunst“ mit 337 Symptomen veröffentlichte. In seiner Einleitung weist Stapf auf die schon damals seit Langem bekannten Heilwirkungen der Herbstzeitlosen hin und zeigt in diesem Zusammenhang seine Belesenheit in den schon seinerzeit internationalen medizinischen Journalen. 1857 publizierte H. Hartlaub im achten Band der „Homöopathischen Vierteljahresschrift“ (S. 113-288) eine Übersichtsarbeit, in der zunächst Reil über die bisherige medizinische Verwendung der Arznei sowie toxikologische Erkenntnisse berichtete. Allein diese Abhandlung erstreckt sich über knapp 100 Seiten! Im Anschluss folgen die in den Jahren 1853 und 1854 durchgeführten Arzneimittelprüfungen sowie eine Diskussion über die Ergebnisse. Leider fehlt eine Zusammenstellung aller Symptome im gewohnten Kopf-Fuß-Schema, was das Materia-medica-Studium aus dieser Quelle erheblich erschwert. Andererseits bieten die chronologisch wiedergegebenen Prüfungen einen interessanten Einblick in den Ablauf einer solchen „Kunstkrankheit“. Diese Möglichkeit besteht bei den hahnemannschen Prüfungen bekanntlich nicht. Timothy Field Allen, der mit seiner „Encyclopedia of pure materia medica” bekanntlich die umfassendste Darstellung aller seinerzeit publizierten Arzneimittelprüfungen herausbrachte, listet in dem 1857 erschienenen dritten Band insgesamt 1188 Symptome auf, wobei die vergleichsweise hohe Zahl an Vergiftungszeichen zu berücksichtigen ist. Dass es dieses Werk bislang nur in englischer Sprache gibt, mag bedauerlich erscheinen; dafür aber sind die Symptome im Kopf-Fuß-Schema angeordnet.Stefan Reis





