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Bobby Ewing und die Zeitschrift für Klassische Homöopathie - ein Nachruf

Stefan Reis

Neulich kam ein Gespräch mit meiner Mutter – ich weiß nicht mehr, warum – auf das Fernsehen der 1980er Jahre. Die Serie "Dallas" gehörte damals zum Pflichtprogramm meiner Eltern. Als einer der Hauptcharaktere, Bobby Ewing, zum Ende einer Staffel einen dramatischen Tod fand, war Trauer im Hause Reis angesagt. Was war jedoch die Überraschung groß, als eben jener verblichene Bobby gut 20 Folgen später morgens in der Dusche auftauchte, als wäre nichts gewesen. Sehr zur Freude auch meiner Mutter.

Mich erinnerte die Geschichte daran, dass ich seit über einem halben Jahr genau so trauere, wie damals Bobbys (vermeintliche) Witwe. Ende 2018 war die ZKH, die Zeitschrift für Klassische Homöopathie, von dieser Welt – nein, von den Verlegern! – abberufen worden. Und jetzt ist es endlich an der Zeit, diesem Verlust eine schriftliche Verarbeitung entgegen zu stellen, einen Nachruf, den die KH verdient hat.

 

Die ZKH war die erste homöopathische Fachzeitschrift, die ich während meiner Heilpraktiker-Ausbildung kennenlernte. Unser Homöopathielehrer Surmann, aber auch Adolf Voegeli und Otto Eichelberger empfahlen sie dringend. Letztere traten darin sogar als Autoren in Erscheinung.

Als ich 1987 meine erste Praxis eröffnete, war gerade ein schlimmes Jahr für die ZKH zu Ende gegangen. Hugbald Volker Müller hatte nach nur sechs Ausgaben seinen Posten als Schriftleiter frustriert an den Nagel gehängt, um nie wieder auch nur einen Artikel in der ZKH zu publizieren. Die äußerst fruchtbaren Jahre zuvor, in denen Will Klunker (von 1981 bis 85) die Schriftleitung innehatte, erschlossen sich mir leider erst Jahre später. Mit Start meiner Praxis übernahm Klaus-Henning Gypser die inhaltliche Verantwortung für die ZKH und initiierte eine Rückbesinnung auf die Ursprünge der Homöopathie. Wir, die wir damals stark geprägt waren vom Wirbel um den griechischen Homöopathen Georgos Vithoulkas (dessen berüchtigte "Essenzen" waren 1986 erschienen), fanden das zunächst irritierend "altmodisch". Dennoch war die ZKH mein erstes Abonnement einer Fachzeitschrift.

Mit der Zeit brachten uns die Beiträge Gypsers, Klunkers, von Kellers, Künzlis aber dazu, sich mehr mit den Quellen zu befassen, und das auf eine durchaus kritische Weise. Wir begannen, das "Organon" eingehend zu studieren, aber nicht mehr so, als sei es die "Bibel der Homöopathie". Vielen Entwicklungen und Strömungen gegenüber, vor allem der modernen Homöopathie, wurden wir skeptisch. Dass wir das Repertorium und vor allem die seinerzeit beginnende Erweiterung (in's zunehmend Uferlose) kritisch betrachteten, dass sich uns auch Hahnemann später als durchaus nicht fehlerfrei erwies, kann man als Folgen der Beeinflussung durch die ZKH ab 1987 betrachten. So bin ich zahlreichen Autoren, die seitdem dort publizierten, unendlich dankbar für die Anregungen und Informationen, die ich sonst wohl kaum erfahren hätte.

Im Jahr 1997 hatten wir nach fünf Jahrgängen unsere eigene Zeitschrift "Archiv für Homöopathik" (vorläufig) eingestellt, und so versuchte ich 1999, ein Manuskript in der von mir nach wie vor hoch geschätzten ZKH unterzubringen. Man teilte mir jedoch schriftlich mit: "Zu therapeutischen Fragen können in der ZKH nur Ärzte veröffentlichen, zu theoretischen Fragestellungen auch andere Akademiker, soweit ihre Forschungen in das jeweilige Fachgebiet gehören." Auf meine telefonische Nachfrage, warum man das nicht ändere, kam die Begründung, "weil das schon immer so sei." Dies ist aber auch der einzige Wermutstropfen, von dem ich in Zusammenhang mit der ZKH berichten kann. Außerdem änderte sich diese Haltung einige Jahre später.

Sicher – die ZKH war nicht immer so ausgerichtet, wie ich es gerne gehabt hätte. Aber so lange ich sie bezog, hatte sie ein hohes Niveau, und ich habe in jeder Ausgabe Dinge gefunden, die mich bereichert und fortgebildet haben. Ich könnte jetzt anfangen, die Highlights aufzulisten, aber ich würde kein Ende finden.

Ab 2003 begann ich mir Sorge zu machen, weil die KH seitdem nicht mehr mit sechs, sondern nur noch mit vier Heften pro Jahrgang erschien. Nur anfangs gab es noch gelegentlich ein Sonderheft, das den Mangel ausglich.

Während die AHZ in ihrer inhaltlichen Ausrichtung oft sehr schwankte, erschien ab dem Jahr 2008 mit der Homöopathie Konkret (HK) eine weitere Zeitschrift, die sich die Einzelmittelhomöopathie jenseits spekulativer Ansätze auf die Fahne geschrieben hatte. Ich empfand das nie als Konkurrenz, eher als Bereicherung und freute mich über nunmehr zwei lesenswerte Periodika, die ich zehn Jahre lang bezog.

Dann kam das Ende der KH, und zwar überraschend. Noch in der vorletzten Ausgabe 03/2018 wurde Ulrich Koch als neuer Schriftleiter angekündigt, der aber seinen Posten gar nicht mehr antrat. Von Klaus Holzapfel erfuhren wir Abonnent*innen dann im Editorial der finalen Nummer, dass das Erscheinen der ZKH nach 62 Jahren nunmehr eingestellt werde. Grund dafür sei ein Rückgang an zahlenden Leser*innen.

Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, kann ich meine Trauer endlich in diese Zeilen gießen. Mir bleibt der Trost, dass mit der ZKH nicht schon die letzte "gute" Homöopathiezeitschrift von uns gegangen ist.
Ich habe sogar die leise Hoffnung nicht aufgegeben, dass die ZKH eines Tages, wenn auch (bitte!) nicht in meiner Dusche, so doch vielleicht in meinem Briefkasten, ihre Auferstehung feiert.

 

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