Prävention in der homöopathischen Praxis
Prävention in der homöopathischen Praxis
Nach unserer Erfahrung ist die Homöopathie nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv eine relevante Option in der Medizin. Von der Politik ist zu erwarten, dass sie dies entsprechend anerkennt und berücksichtigt.
Im April 2025 verabschiedeten CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag. Hinsichtlich der Gesundheitspolitik findet sich eine bemerkenswerte Passage: „Wir unterstützen Forschung und Versorgung zu Naturheilkunde und Integrativer Medizin zur Präventionsförderung.“ Überhaupt wird Prävention im Verlauf des Vertrags in vielen Bereichen erwähnt: beim Sport, beim Arbeitsschutz sowie hinsichtlich der mentalen Gesundheit junger Menschen oder wenn es um die Einrichtung einer „Nationalen Biobank“ geht. Fast schon in Vergessenheit geraten scheint dabei die Tatsache, dass es bereits seit 2015 sogar ein „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ gibt.
Wenngleich die Homöopathie weder im Koalitionsvertrag, noch im Gesetzestext explizit erwähnt wird, sollte man sie als Bestandteil einer „Integrativen Medizin“ mitführen. Und natürlich kann sie dazu beitragen, die im Koalitionsvertrag definierten Ziele zu erreichen. Am besten kann man das erläutern, wenn man sich die einzelnen Präventionsstufen von praktischer Relevanz ein wenig genauer anschaut.
Bei der primären Prävention geht es um Maßnahmen, die die Entstehung von Krankheit im Vorfeld verhindern sollen. Hier denkt man gleich an entsprechende Änderungen der Lebensweise (Ernährung, Bewegung, Medienkonsum etc.) oder auch an Impfungen. Als Therapiemethode ist die Homöopathie an einer Primärprävention nicht unmittelbar beteiligt, wohl aber achten Homöopath*innen im Rahmen ihrer Anamnese und Beratungstätigkeit auf Faktoren, die schon der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, als die „Krankheit […] veranlassende oder unterhaltende Ursache[n]“ bezeichnete, die der „verständige“ Behandler „zuerst hinwegräumen“ [1] müsse. Das ist also schon immer (und heute vermutlich in noch stärkerem Maß) ein selbstverständlicher Arbeitsschritt in homöopathischen Praxen und kann vor allem deshalb so umfassend berücksichtigt werden, weil wir uns in der Regel die Zeit nehmen können, die für solche Aspekte nötig ist. So gelingt es auch am besten, die Patient*innen zu aktiver Mitarbeit (Stichwort: Selbstwirksamkeit) zu bewegen und Verständnis für die Sinnhaftigkeit einer geänderten Lebensweise zu wecken.
Die sekundäre Prävention umfasst Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten sowie die Behandlung von Erkrankungen im Anfangsstadium, um eine zunehmende Beeinträchtigung, Rezidive oder auch eine Chronifizierung zu vermeiden oder hinauszuzögern. Hier kommen nach wie vor viele Aspekte der Primärprävention zum Einsatz (Sport, Ernährung, Substitution, Beratung etc.). Therapeutisch sinnvoll sind aber auch vorzugsweise sanfte, möglichst nebenwirkungsfreie Therapiemethoden wie die Homöopathie. Da sich die Wahl eines hilfreichen Arzneimittels in der Homöopathie mehr an den individuellen Symptomen der Kranken und weniger an klinischen Befunden orientiert, hat man damit eine Möglichkeit, Beschwerden kurativ (!) zu behandeln, die zwar einen deutlichen Leidensdruck verursachen, für die aber (noch) keine klinische Diagnose gestellt werden kann. In solchen Fällen werden Betroffene wegen fehlender Biomarker oft mit der Aussage, es sei „alles in Ordnung“ entlassen oder aber mit symptomatisch wirkenden Medikamenten versorgt. Im Unterschied zur homöopathischen Behandlung besteht dann die Gefahr, die Gesamtsituation durch Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten zu verschlechtern.
Tertiäre Prävention hat zum Ziel, die Folgen einer bereits bestehenden Krankheit zu minimieren und Komplikationen zu vermeiden. Hier sind Rehabilitationsmaßnahmen zu nennen und natürlich die Fortführung der physikalischen, diätetischen, psychotherapeutischen etc. Interventionen. Daneben kann (oder sollte) die Homöopathie eine wichtige Rolle spielen. Einige Vorzüge dieser Behandlungsmethode wurden bereits erwähnt, hinzu kommt noch der ganzheitliche Therapieansatz: Wenn möglich, wird bei der Homöopathie immer die Gesamtheit aller körperlichen, geistigen und psychischen Beschwerden des Menschen in das Behandlungskonzept integriert; hat die Therapie mit einem passenden Einzelmittel (also einem „Simile“) Erfolg, verbessern sich mitunter nicht nur die vordergründigen Beschwerden der manifesten Krankheit, sondern auch zahlreiche begleitende Beschwerden, für die in der konventionellen Medizin jeweils spezifische Maßnahmen erfolgen müssten. Eine weitere bewährte Indikation für die Homöopathie ist die Behandlung von Nebenwirkungen konventioneller Medikamente.
Diese zuletzt erwähnten Vorteile einer homöopathischen Behandlung decken auch die Ziele einer so genannten Quartärprävention ab. Gemeint ist damit die Vermeidung von unnötigen medizinischen Maßnahmen und Überbehandlungen. Ziel ist es, Patient*innen vor Schäden durch übermäßige medizinische Eingriffe zu schützen. Hier stehen multimorbide und ältere Patient*innen im Fokus, bei denen auf problematische Multimedikation und auf potenziell inadäquate Medikation im Alter geachtet werden muss. Aber auch Verschreibungsautomatismen der oft unter Zeitdruck stehenden konventionellen Medizin (z.B. Antibiotika, Antihypertonika, Antikoagulantien) sind hier zu erwähnen. Dass die Homöopathie in diesen Zusammenhängen eine wichtige Rolle spielen kann, dürfte aus allen oben zusammengetragenen Argumenten hervorgehen.
Präventive Maßnahmen, zu denen wir die Homöopathie ausdrücklich zählen, lindern oder verhindern nicht nur Beschwerden, sie sparen auch Geld, indem aufwändigere Therapiemethoden vermieden oder (wo vertretbar) aufgeschoben werden können, die bei fortgeschrittenen, manifesten, irreversiblen Krankheitsstadien zum Einsatz kommen. Außerdem beziehen sie die Patient*innen in die eigene Gesundheitsförderung ein. Für die Homöopathie im Speziellen ist zu betonen, dass sie weitgehend nebenwirkungsfrei und hinsichtlich der Arzneikosten günstig ist. Nicht zuletzt begegnen wir unseren Patient*innen stets in umfassender Weise – mit Diagnostik, Befundaufnahme, individueller Therapie sowie Beratung und Kommunikation. Letztere muss oft Missverständnisse klären (auch um dadurch drohende Folgen abzuwenden), die der Zeitknappheit und Depersonalisierung im konventionellen Medizinbetrieb geschuldet sind.
Unseres Erachtens umfasst ein patientenzentriertes, auf Prävention und Nachhaltigkeit ausgelegtes Gesundheitssystem alle etablierten und bewährten Therapieverfahren. Selbstverständlich gehört die Homöopathie unabdingbar dazu!
Stefan Reis (VKHD Vorstand)
1 Hahnemann, Samuel: Organon der Heilkunst, Standardausgabe der 6. Auflage. Haug Verlag, Heidelberg 1996, hier: § 7, Seite 92