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Umdenken bei der Behandlung von Durchblutungsstörungen in den Beinen

Umdenken bei der Behandlung von Durchblutungsstörungen in den Beinen Umdenken bei der Behandlung von Durchblutungsstörungen in den Beinen AdobeStock #48320699 ©Marco2811
Aktuell zeichnet sich ein Wandel bei der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ab. Galt bisher die minimal-invasive Technik als erste Behandlungsoption zur Verbesserung der Durchblutung, gewinnen nun Behandlungen mit Lebensstiländerungen und Medikamenten an Bedeutung.


Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist eine Volkskrankheit, die mehr als 236 Millionen Menschen weltweit betrifft. Jetzt zeichnet sich ein Wandel in der Therapie der Durchblutungsstörungen ab, wie Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) berichteten. „Insgesamt geht es bei der Therapie der pAVK weg von ‚endovaskulär first‘ hin zu einer stärker individualisierten Behandlung“, erklärte DGG-Präsident Professor Dr. med. Markus Steinbauer. Eine entsprechende neue S3-Leitlinie soll 2023 erscheinen.

„Endovaskulär first“ – das schrieb die bisherige Leitlinie zur Behandlung der pAVK vor. „Die minimal-invasive Technik wurde bisher bevorzugt und unabhängig vom Stadium der Erkrankung und dem Gesundheitszustand der Patient*innen zur Verbesserung der Durchblutung durchgeführt“, berichtet Professor Dr. med. Markus Steinbauer. Zu diesen Eingriffen zählen etwa Ballondilatationen oder das Einsetzen von Stents, mit denen die Gefäße erweitert und die volle Durchblutung wiederhergestellt werden soll.


Trendwende: Frühe pAVK-Stadien sollen zuerst konservativ behandelt werden

Die neuen Behandlungsempfehlungen werden mehr auf eine individualisierte Therapieauswahl und weniger auf das bisherige Endo-First-Prinzip ausgerichtet sein. So soll in frühen Stadien der Erkrankung (pAVK-Stadium II) zuerst konservativ behandelt werden. Das beinhalte eine Änderung der Lebensführung von Betroffenen. Diese sollen Risikofaktoren für Gefäßerkrankungen reduzieren und erhalten eine begleitende langfristige medikamentöse Therapie. Dazu gehöre eine gesunde Ernährung, körperliche Bewegung und Rauchverzicht. Darüber hinaus aber auch die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus. Für die medikamentösen Therapien, die als Sekundärprophylaxe das Fortschreiten der Arteriosklerose aufhalten sollen, konnten zuletzt in neuen Studien sehr positive Ergebnisse vorgelegt werden. Dabei wurde die Wirkungsweise von drei Medikamentenklassen untersucht, die bei der Sekundärprävention von Durchblutungsstörungen zum Einsatz kommen: Cholesterinsenker, neue Diabetesmedikamente und die Kombination aus einem blutverdünnenden Medikament (Aspirin) und Rivaroxaban, ein Arzneistoff zur Hemmung der Blutgerinnung.


Abkehr vom Prinzip „endovaskulär first“ – Therapieplanung berücksichtigt Gesundheitszustand der Patient*innen

Doch auch für den Fall, dass ein Eingriff erwogen wird, gelte: Nicht jeder Patient, nicht jede Patientin ist aufgrund der Anatomie oder des Wundbefundes für eine minimal-invasive Intervention geeignet. Manche benötigen aufgrund der Wund- und Infektsituation primär eine offene chirurgische Operation – beispielsweise eine Ausschälung des verkalkten Gefäßabschnitts oder die Umgehung eines Gefäßverschlusses durch einen Bypass. Nach der neuen Behandlungsleitlinie komme es vor allem darauf an, Art und Umfang der Intervention nach den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Patient*innen zu planen.


Prähabilitation bei gebrechlichen Patient*innen

Darüber hinaus rückt die konservative Therapie auch bei älteren, gebrechlichen pAVK-Patient*innen stärker in den Vordergrund. Manche der Betroffenen seien trotz hohem Alter fit und könnten sich von einer minimal-invasiven Intervention oder einer offenen Operation gut erholen.

Bei anderen müsse eine Demenz, eine Minderernährung, eine Anämie oder ein zu erwartendes postoperatives Delir berücksichtiget werden. Es gelte abzuwägen, ob eine konservative oder palliative Therapie vorzuziehen ist. Eine weitere Option sei es, geriatrische Patient*innen vor einem Eingriff mittels Prähabilitation vorzubehandeln und damit das Risiko für Eingriffe zu reduzieren. Mit Hilfe von Physiotherapie, Ernährungstherapie und ggf. Eiseninfusionen würden die Betroffenen gezielt gestärkt, sodass der Eingriff weniger belastend sei und auch die Mobilität und Lebensqualität erhalten werden könne.


Amputationsraten seit 2005 um knapp 40 Prozent gesenkt

Die neue Leitlinie dient dem Ziel, die Sterblichkeit und die Zahl der Amputationen weiter zu reduzieren. „Hier können wir bereits große Erfolge verzeichnen, die unter anderem auf die Verbesserung der Versorgung durch zertifizierte Gefäßzentren zurückzuführen sind“, sagt Steinbauer, Leiter der Zertifizierungskommission der DGG. So konnte seit 2005 die Amputationsrate der unteren Extremitäten um mehr als 38 Prozent gesenkt werden. „Wir hoffen, dass das seit 2019 angebotene Zweitmeinungsverfahren beim diabetischen Fußsyndrom und die neuen Therapieempfehlungen zu weiteren Fortschritten bei der Behandlung dieser Volkskrankheit führen werden“, so der DGG-Präsident. Die neue Leitlinie zur Behandlung der pAVK soll noch 2023 erscheinen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG)
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