S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ erschienen
S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ erschienen
S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ erschienen
Fotolia © Gina Sanders #84140372
Es gibt eine neue S3-Leitlinie zur komplementärmedizinischen Behandlung onkologischer Patient*innen. Darin kommt auch die Homöopathie vor, die als "medizinisches System" bezeichnet wird – immerhin! Die Ergebnisse einer Studie von Professor Fraas haben offenbar so weit überzeugt, dass eine "kann"-Empfehlung für eine "klassisch homöopathische" Behandlung, begleitend zur konventionellen Therapie, ausgesprochen wird.
Das Leitlinienprogramm Onkologie hat erstmals eine S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ erarbeitet. Es wurden 155 Empfehlungen bzw. Statements formuliert, die wichtige Empfehlungen und Informationen zur vorliegenden Evidenz bieten sollen.
In der S3-Leitlinie werden die – aus Sicht der beteiligten Experten – wichtigsten zur komplementären und alternativen Medizin zählenden Methoden, Verfahren und Substanzen, die aktuell in Deutschland von Patient*innen genutzt werden bzw. ihnen angeboten werden, nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin bewertet. In der Leitlinie wurden diese in vier thematische Blöcke unterteilt:
- Medizinische Systeme
- Mind-Body-Verfahren
- Manipulative Körpertherapien
- Biologische Therapien
Die Homöopathie wird dabei den „Medizinischen Systemen“ zugeordnet.
Ziel der Leitlinie
Ziel der Leitlinie ist, allen in der Onkologie Tätigen (Ärzt*innen, Pflegekräfte, Psycholog*innen und andere Berufsgruppen) ein präzises Nachschlagewerk an die Hand zu geben, dass hilft, Fragen von Krebsbetroffenen evidenzbasiert zu beantworten und ggf. aktiv Empfehlungen auszusprechen bzw. von konkreten Maßnahmen und Verfahren abzuraten, so die Expertengruppe.Homöopathie erhält Kann-Empfehlung
Der Studie von Professor Dr. Michael Frass (Wien) [1], die zeigen konnte, dass adjuvant verabreichte Homöopathie die Lebensqualität und das Überleben von Lungenkrebspatienten verbessern kann, wird das Evidenzlevel 2b attestiert. Obwohl, wie gesagt, Bedenken bezüglich der Studie vorgetragen werden, lautet das Fazit der Bearbeiter: "Trotzdem kann aufgrund der stark positiven Ergebnisse dieser Studie der Einsatz von klassischer Homöopathie (Erstanamnese in Kombination mit individueller Mittelverschreibung) zur Verbesserung der Lebensqualität bei onkologischen Patienten zusätzlich zur Tumortherapie erwogen werden." (a.a.O., S. 109) Die Ergebnisse haben offenbar doch so weit überzeugt, dass eine "kann"-Empfehlung für eine "klassisch homöopathische" Behandlung, begleitend zur konventionellen Therapie, ausgesprochen wird.Man könnte vielleicht ein wenig enttäuscht sein: “Nur“ eine "kann"-Empfehlung. Aber dieses Fazit ist umso bemerkenswerter, wenn bedenkt, wer für diese Einschätzung verantwortlich zeichnet: "Die Evidenzaufarbeitung zur Homöopathie wurde von den Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Jena unter der Leitung von Prof. Dr. Hübner (DKG) durchgeführt." (a.a.O., S. 111). Hübner ist aktuell Leiterin des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) und steht eigentlich für das Narrativ "Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus".
Einschätzung der Expert*innen
Nach Einschätzung der Fachleute zeigt die umfangreiche Dokumentation in dieser Leitlinie, dass für die meisten Methoden der komplementären Medizin nur wenig wissenschaftliche Daten vorliegen. Hinzu kommt, dass viele Studien eine kleine Proband*innenzahl aufweisen oder eine adäquate Vergleichsgruppe fehlt. Solche Studien seien methodisch kritisch zu betrachten und die Interpretation der Ergebnisse sei damit eingeschränkt. Während einige Studien zeigen würden, dass sich die Anwendung komplementärmedizinischer Methoden günstig auf bestimmte Nebenwirkungen der onkologischen Therapie oder auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken kann, gäbe es nur in wenigen Studien systematisch erfasste Daten zu potentiell schädlichen Nebenwirkungen komplementärer Methoden und Interaktionen und mit der klassischen konventionellen Behandlung.Beteiligte Fachgesellschaften
Die S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient*innen“ entstand unter Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). Insgesamt waren 72 ehrenamtlich arbeitende Fachexpert*innen aus 46 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt. Die Leitlinie ist auf dieser Webseite abrufbar.Studie
- 1) Frass M, Lechleitner P, Gründling C et al.: Homeopathic Treatment as an Add-On Therapy May Improve Quality of Life and Prolong Survival in Patients with Non-Small Cell Lung Cancer: A Prospective, Randomized, Placebo-Controlled, Double-Blind, Three-Arm, Multicenter Study. Oncologist. 2020;25(12):e1930-e1955. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33010094/