Hate-Speech, Watschen oder aber initiative Zusammenarbeit
Hate-Speech, Watschen oder aber initiative Zusammenarbeit
Unter diesem Titel hat VKHD-Beiratsmitglied Carl Classen einen interessanten Beitrag über die Sprache und den gesellschaftlichen Diskurs auch zur Homöopathie im Internet geschrieben. Darin nimmt er u.a. Bezug auf einen Homöopathie-Blog, der Ende letzten Jahres für einigen Wirbel gesorgt hat und ruft auf, sich konstruktiv in den Diskurs rund um die Homöopathie einzubringen.
„Hate Speech im Netz stoppen!“, so lautet eine Herbst 2018 gestartete Kampagne von campact.de. Mit einem Aufruf an den Gesetzgeber: „Beleidigen, verleumden, drohen: Vor allem rechte Hetzer/innen organisieren sich im Netz. Dafür bestraft werden sie fast nie ... das wollen wir ändern“. Als Homöopathen erfahren wir leider, dass „Hate-Speech“ definitiv kein Privileg von Neonazis ist. Der Foren-Aktionismus fanatisierter Skeptizisten sät Angst und Zweifel und stellt insbesondere die moralische Integrität von Homöopathen und Heilpraktikern infrage. Ohne dies zu wollen, zeichnen diese Aktionisten dabei vor allem ein Sittengemälde ihrer selbst. Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich bezeichnete solche Mobilisierung kollektiver Emotionen und Verfolgungswellen als „emotionale Pest“. Das gab es auch schon im Mittelalter. Wir sollten unsere Kritiker nicht unterschätzen. Der „seriöse“ Zweig dieser international agierenden Polit-Sektengruppe bearbeitet Politiker mit gesittet formulierten Briefen und bemüht sich gar darum, „Medizin-Ethik“ als leitlinien-gerechtes Handeln zu definieren. Nicht erfolglos: Beispielsweise ist es in Schweden den Ärzten aus „ethischen“ Gründen verboten, homöopathische Arzneien zu verschreiben, wenn eine (im Gegensatz zu solchen Placebos!) wirksame Therapie zur Verfügung steht.
Homöopathie Blog: Freude verging, bevor sie richtig aufkam
Im gleichen Zeitraum der Campact-Aktion tauchte im Internet ein neuer Homöopathie-Blog auf, der mich anfangs hoffen ließ: Endlich geht da einer mit investigativen Methoden an die Hintergründe, deckt vielleicht gar verdeckte Finanzierungen auf! Macht damit etwas, was Berufs-Organisationen genau nicht machen können und sollten! Denn es gibt durchaus unterschiedliche Aktionsformen, die einander ergänzen können. Eine politische Partei kann nicht so agieren wie etwa das Zentrum für politische Schönheit. Ich dachte nur: Hoffentlich bleibt der Mann cool genug! Tiefgründige Recherchen müssen hoch professionell und vor allem sehr still verlaufen. Ständig neue kleine Spitzen erschöpfen die Kraft, juristische Drohungen in jedem zweiten Beitrag verbrauchen sich. Einen Augenblick lang dachte ich an ein Lied von Wolf Biermann: „Die allzu hart sind brechen / die allzu spitz sind stechen / und brechen ab sogleich“. Doch meine Freude verging, bevor sie eigentlich aufkam. Denn der Stil wurde immer polemischer! Öffentliche Frontal-Angriffe richteten sich gleichermaßen auf Homöopathie-Organisationen wie Homöopathie-Gegner, sogar gegen die Redaktion der Zeitschrift Homöopathie konkret.Ich nannte es bald nur noch den Watschen-Blog. Noch bevor das – von Skeptikern umgehend hämisch zitierte „friendly fire“ losging, schrieb ich einem Kollegen: „Netz-Pranger, gleich, von welcher Seite her betrieben, sind einfach zutiefst würdelos! Das nährt immer auch den Gegner.“
Engagement ist gefordert
Der Watschen-Blog agiert derzeit fast nur noch als „Club“. Hat sich, so mein Eindruck, in kürzester Zeit selbst ins Aus geschossen. Freuen kann ich mich darüber genauso wenig.Wir müssen nicht jede Methode des Gegners kopieren. Transparenz und Netz-Pranger sind zweierlei. Manchmal (nicht immer!) ist Nicht-Beachtung die beste Antwort. Aber der Blog zeigte durchaus auch von uns bislang nicht genutzte Potenziale der Öffentlichkeitsarbeit.
Die aber brauchen ein nachhaltiges, intensives, persönliches Engagement! Das bedeutet freie Initiative und zugleich realistische Erwartungen und Professionalität. Ich sah in den letzten Jahren schon einige gut gemeinte Initiativen aus dem Impuls heraus entspringen: „Das können wir effizienter und schneller als die Verbände“! Manches verlief leider rasch im Sande persönlicher Grenzen und Auseinandersetzungen, führte zu ungeklärten Parallel-Strukturen oder schuf gar neue Angriffsflächen. Daher rufe ich auf, bereits geschaffene Strukturen, bedeutet vor allem unsere Organisationen, besonders solche mit berufspolitischem Mandat, intelligent zu nutzen! Verbände sind immer nur durch Mitglieder stark: Treten Sie bei und bringen Sie sich (teamfähig!) ein. Sind besondere Aktionsformen beabsichtigt, die Verbänden nicht unmittelbar möglich sind, so gilt es umso mehr, abgestimmt vorzugehen. Oder wirklich klug zu publizieren, wie Jörg Wichmann mit seinem weitblickenden Blog „Homöopathie und die Welt“.
Unsere, verglichen mit anderen Lobbys, immer noch kleinen Vereine, Verbände und Stiftungen rufe ich auf, Initiativen von KollegInnen einzubeziehen, auch wenn vielleicht Kritik mitschwingt und die eine oder andere Vorstellung zu klären ist. Zwischen den Organisationen gibt es längst einen weitläufigen konstruktiven Austausch, wenngleich jeder Verein nach außen für seine eigenen Aufgaben stehen muss. Zu freier Initiative rufe ich auf! Aber abgestimmt und miteinander, denn Zusammenarbeit ist ein Lernfeld, bei dem Hahnemann wahrscheinlich nicht unser Lehrer sein kann.
Rechtsmittel sind gegen schlechten Stil nur selten anwendbar, da die Meinungsfreiheit in aller Regel höher gewichtet wird. Es gibt wenige Ausnahmen, wie ganz persönliche Verleumdung eines Menschen, Verleumdung von Ethnien oder Glaubensgemeinschaften oder Falsch-Darstellung unzweifelhaft beweisbarer Tatsachen. Die Medienprofis bestimmter Gruppierungen provozieren sehr bewusst scharf am Rande des Erlaubten, um Aufmerksamkeit zu erreichen und um Gegner zu unbedachten Reaktionen zu reizen, die sie dann wiederum gegen diese verwenden. Das funktioniert aber nicht mit jeder Art von Botschaft. Wir tun besser daran, eine sachlich treffende, nicht auf Gegnerschaft ausgerichtete, positive, einladende, echte und stimmige Sprache zu sprechen.
Carl Classen
I. https://www.campact.de/hate-speech/
II. Eine Gruppierung, die für satirisch politische Aktionskunst steht: https://politicalbeauty.de/
III. https://www.provings.info/blog1/