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Heilpraktikerberuf auf dem Prüfstand: Rückblick auf Online-Befragung für ein Empirisches Gutachten

Heilpraktikerberuf auf dem Prüfstand: Rückblick auf Online-Befragung für ein Empirisches Gutachten Heilpraktikerberuf auf dem Prüfstand: Rückblick auf Online-Befragung für ein Empirisches Gutachten Fotolia #44679288 ©Pete Atkins
Im Januar startete eine vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte und von der in vivo GmbH durchgeführte Online-Befragung zum empirischen Gutachten zu unserem Berufsstand, über die wir unsere Mitglieder informiert haben. Parallel dazu haben wir uns mit einem kritischen Feedback an die Initiatoren der Befragung gewandt. Unsere Beweggründe hat Carl Classen im Folgenden skizziert.


Liebe Kollegin, lieber Kollege,

im Januar diesen Jahres – und noch vor unserer eigenen, unabhängig erstellten Umfrage – hatten wir eine vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte und von in vivo durchgeführte Online-Befragung zum empirischen Gutachten weitergeleitet. Trotz teils problematischer Fragen hatten wir nahegelegt, die Online-Befragung zu beantworten, weil wir auf diese Weise ein wenig mehr Einfluss haben als durch Nichtstun. Zunächst als Signal grundsätzlicher Kooperationsbereitschaft und womöglich auch durch unsere Antworten. Zweitens führten wir eine eigene, unabhängige Datenerhebung durch. Drittens, darüber wollen wir hier informieren, wendeten wir uns mit einem kritischen Feedback an die Initiatoren der Befragung.

Wir erinnern an den Kontext: Seit geraumer Zeit informieren wir Euch über die 2017 begonnenen und durch Corona nochmal hinausgezögerten politischen Pläne zur Neuregelung des Heilpraktikerberufs. 2019 richtete das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eigene Abteilungen für den Berufszugang zu Heilberufen im Allgemeinen ein. Im April 2021 erschien ein vom BMG beauftragtes Rechtsgutachten, diesem folgte die Ausschreibung eines empirischen Gutachtens. Beide zusammen sollen erst den Boden bereiten für die angestrebte Neuregelung. Diese Mühlen mahlen langsam, aber gründlich.

Dem Eindruck nach wollte das Ministerium sich beim Erstellen der Online-Befragung von niemandem und von keinem Verband „hereinreden“ lassen. Grundsätzlich können wir das sogar nachvollziehen. Heraus kam allerdings eine Ansammlung teils überdetaillierter, teils nicht problemgerechter und teils schlichtweg fehlerhafter Fragen, verbunden mit einem unrealistisch angegebenen Zeitaufwand.


Unser Feedback zur BMG-beauftragen Online-Befragung

Wir nahmen das zum Anlass, dem BMG, das die Fragen vorgegeben hatte, sowie dem beauftragten Institut eine fachlich begründete Analyse sämtlicher von uns als problematisch erachteten Stellen der Befragung zu schicken. Wir forderten, dass eine Auswertung wissenschaftlichen Gepflogenheiten folgend alle Problemstellen und damit auch Grenzen der Aussagekraft und Begutachtung erörtern sollte. Es wäre fehl am Platze, zum jetzigen Zeitpunkt irgendwelche Absichten zu unterstellen. Zugleich aber sollten wir uns für Alles wappnen.

Unserer Stellungnahme wird zwischenzeitlich auch von anderen Verbänden unterstützt. Wir wollen damit der Möglichkeit politisch motivierten Missbrauchs der Umfragedaten entgegenwirken. Zugleich signalisieren wir Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft. „In vivo“ antwortete bereits und versicherte, dass deren Ziel eine Publikation sei, die wissenschaftlichen Standards entspricht und sämtliche relevanten Aspekte transparent und umfassend behandelt. Man sei entschlossen, durch sorgfältige Analyse und offene Diskussion einseitige oder politisch motivierte Schlussfolgerungen zu vermeiden. – Nun, wir sind gespannt.

Im Sinne guter Kommunikation behandeln wir das Schreiben an das BMG vertraulich. Wir möchten Euch als Mitglieder jedoch über die wichtigsten Punkte informieren, im Vertrauen darauf, dass unsere inhaltliche Zusammenfassung nicht für unabgesprochene Aktionen verwendet wird.


Problematische Terminologie und Kategorienfehler

Lesern der Umfrage wird beispielsweise aufgefallen sein, dass einige Fragen berufsrechtlich merkwürdig erscheinen. Etwa jene nach Kooperationen mit Ärzten und Einrichtungen (für Ärzte standesrechtlich verboten) oder nach Anwendung einer so nicht existenten „Gebührenordnung für Heilpraktiker“.

Während uns der verwendete Sprachgebrauch von „alternativ“ als ein jede konventionelle Medizin ausschließendes „stattdessen“ eher von Kritikern bekannt ist, unterschlägt der mit weiteren Fragen unterstellte Gegensatz von „wissenschaftlich orientiert“ zu „komplementär oder alternativ“, dass einige Methoden, einschließlich der Homöopathie, sich durchaus als wissenschaftlich verstehen. Wir schlugen als wertungsfreie Terminologie vor, von „im Gesundheitssystem etablierten“ bzw. „nicht etablierten“ Methoden zu sprechen, wobei Letztere zusammenfassend und nicht etwa trennend beispielsweise als „Komplementär- und Alternativmedizin“ bezeichnet werden können.

Die Terminologie war also schon heikel. Schwerer wiegt, dass einige Fragestellungen Kategorienfehler beinhalten, die, je nach Art der Auswertung, zu falschen Rückschlüssen führen können. So etwa bei der Vermischung von Indikationen mit Methoden. Ein weiterer Kategorienfehler war, dass Methoden insgesamt und ohne Rücksicht auf behandelte Pathologien als „alternativ“ im Sinne von „anstelle jeder Schulmedizin“ oder als „komplementär“, also „ergänzend“ eingestuft werden sollten. Eine solche Einschätzung ist ja immer nur in Bezug auf konkrete Krankheitsbilder und als einzelfallbezogene Behandlungsentscheidung möglich. Die entsprechende Fragestellung korrelierte unzusammenhängende Parameter und versäumte, die richtigen in Verbindung zu bringen.


Auftrag eines repräsentativen Gutachtens so vermutlich nicht erfüllbar

Schräg empfundene Fragen wie auch die extrem detaillierte betriebswirtschaftliche Befragung könnten zu manchen Umfrage-Abbrüchen und eingeschränkten Rückläufen geführt haben. Offen bleibt auch, worin der eigentliche Gutachten-Auftrag des Ministeriums besteht, da eine Datenerhebung durch empirische Forschung – nicht mehr war ausgeschrieben – für sich alleine noch kein Gutachten ist. Der Interpretationsspielraum einiger Fragen ist dermaßen offen, dass die Belastbarkeit der Umfragedaten für ein Gutachten aus unserer Sicht infrage steht. Wir stellten fest, dass der Auftrag des Ministeriums, eine „repräsentative“ Datenerhebung durchzuführen, zufällige Stichproben bräuchte und mit dem vorgegebenen Konzept einer quantitativen Befragung nicht vereinbar, daher in sich selbst widersprüchlich ist. Dieser Mangel ließe sich auch durch ergänzende Einzel-Interviews nicht mehr kompensieren. Dies sind die wichtigsten der von uns angemerkten und teils sogar mit Vorschlägen kommentierten Punkte. Dabei bestreiten wir nicht, dass ein Berufsgutachten – je nach Intention und Eignung – auch eine Chance für unseren Beruf sein könnte. Wir bedauerten in unserem 7-seitigen Schreiben zudem, dass der eigentlich wichtigste Teil des geplanten Gutachtens mit Befragung der Patientinnen und Patienten vorläufig ad acta gelegt wurde, und wir schlugen weiterführende, die Berufsverbände einschließende Gespräche vor.


Gemeinsam für Gegenwart und Zukunft des Heilpraktikerberufs!

Politisch stehen die Zukunft des Heilpraktikerberufs und dabei insbesondere die künftige Erlaubniserteilung auf dem Prüfstand. Der Austausch mit den Behörden ist eine Gratwanderung zwischen notwendiger Klarheit der Kritik und dem Streben nach konstruktiver und wertschätzender Kommunikation. Zugleich gilt es, das Vorgehen mit den anderen Heilpraktiker-Berufsverbänden abzustimmen. Das ist arbeitsintensiv. Unabgestimmter Aktivismus ginge nach hinten los. Die Entwicklungen berühren uns auch dann, wenn wir in der eigenen beruflichen Arbeit wahrscheinlich weniger direkt betroffen sein werden. Unser Einsatz gilt der Gegenwart wie auch der Zukunft des Heilpraktikerberufs als eine freiere und patientenzentrierte Alternative, die für viele Patientinnen und Patienten wichtig ist und sein wird.

Carl Classen, VKHD-Vorstand
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