Professor Frass und seine Krebs-Studie: ein Update
Professor Frass und seine Krebs-Studie: ein Update
Den Leser*innen dieses Newsletters sind die Arbeiten Professor Frass‘ zur additiven Behandlung von krebskranken Menschen mit Homöopathie aus der Zeitschrift „The Oncologist“ bekannt. Zuletzt gab es lautstarke Kritik – jetzt reagierte die Herausgeberin der Zeitschrift.
Nachdem Michael Frass und seine Co-Autor*innen im Dezember 2020 eine umfangreiche Studie zur Effizienz einer additiven individualisierten homöopathischen Behandlung bei Patient*innen mit fortgeschrittenem Lungenkrebs in dem angesehenen Fachjournal „The Oncologist“ publizieren konnten, war die Begeisterung aus der Homöopathieszene ebenso groß wie die Motivation der Skeptizisten, Fehler in der Studie zu finden.
So dauerte es nicht lange, bis sich die ersten Kritiker zu Wort meldeten und Zweifel an der Zuverlässigkeit der Ergebnisse äußerten. Vor allem ging es dabei um den Verdacht auf nachträgliche Manipulation von Parametern. Frass wurde dabei unterstellt, diese Manipulationen mit der Absicht der „Ergebniskosmetik“ vorgenommen zu haben. Tatsächlich stimmen manche Parameter der Publikation nicht überein mit denen, die bei Ankündigung der Studie genannt wurden. Das aber hat offenbar pragmatische Gründe, die eben vor Beginn der Studie nicht absehbar waren. Jedenfalls führte dies dazu, dass die Autor*innen im März 2021 eine erste Korrektur veröffentlichten. Damit waren die Kritiker natürlich nicht zufrieden und sie wandten sich an die Herausgeberin des „Oncologist“, an die MedUniWien (an der Frass früher lehrte und forschte) und die private „Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität“ (ÖAWI), die wiederum den Forderungen der Skeptizisten folgte und an den „Oncologist“ die Empfehlung adressierte, den Artikel zurückzuziehen. Darauf reagierten die Herausgeber im Dezember 2022 folgerichtig mit einer „expression of concern“: Man könne nicht ausschließen, dass die Ergebnisse der Studie aufgrund von Datenmanipulation unzuverlässig seien, werde das aber unter Rücksprachen mit den Autor*innen näher untersuchen. Diese Überprüfung seitens des „Oncologist“ wurde kürzlich abgeschlossen. Die beteiligten Wissenschaftler*innen kamen offenbar zu dem Ergebnis, dass es ausreiche, eine weitere (zweite) Korrektur zum Originalartikel zu veröffentlichen, ihn aber ansonsten online zu belassen und die Arbeit eben nicht zurückzuziehen. Damit zeigen die Herausgeber Rückgrat und nicht zuletzt auch Mut, denn der „Oncologist“ ist eine der angesehensten konventionell-medizinischen Fachzeitschriften und nicht etwa Sprachrohr für alternativ- oder komplementärmedizinische Verfahren.
Zu erwarten ist nun allerdings noch, dass auch die „expression of concern“ noch getilgt wird, denn die Grundlage für die darin geäußerte Skepsis ist nunmehr entfallen.
Stefan Reis
Hier geht es zum Artikel in der aktuellen Version, inklusive der Korrekturen: https://academic.oup.com/oncolo/article/25/12/e1930/6444088