Dr. med. Klaus-Henning Gypser verstorben
Dr. med. Klaus-Henning Gypser verstorben
Am 4. September 2024 ist Dr. Klaus-Henning Gypser verstorben. Lesen Sie hier den Nachruf von Stefan Reis.
Nicht nur für meinen homöopathischen Werdegang war Dr. med. Klaus-Henning Gypser von Bedeutung. Gemeinsam mit anderen, an Hahnemanns ursprünglicher Homöopathie interessierten, Kollegen war er ab Mitte der 1980er Jahre mitverantwortlich für eine „back-to-the-roots“-Bewegung in der (deutschen) Homöopathie. Diese hatte sich damals um Einiges von ihren Wurzeln entfernt und war stark beeinflusst von spekulativen Ansätzen, denen die Kompatibilität mit Hahnemanns Vorgaben mehr und mehr abhanden kam. Ausdruck fanden Gypsers Bemühungen vor allem in seinem literarischen Schaffen. So brachte er, der von vornherein als Arzt immer nur Homöopath sein wollte, noch als Medizinstudent 1984 die „Kleinen medizinischen Schriften“ Clemens von Bönninghausens heraus. Von 1987 bis 1992 wirkte er als Herausgeber und Autor (mit durchaus spitzer Feder) der „Zeitschrift für klassische Homöopathie“ (ZKH). Währenddessen gab Gypser 1988 die drei- bzw. vierbändigen „Medizinischen Schriften“ Constantin Herings und 1991 die „Gesammelten Arzneimittelprüfungen aus Stapfs Archiv“ heraus. Es folgte im Jahr 2000 die Publikation der revidierten Fassung des „Therapeutischen Taschenbuchs“ Bönninghausens (TTB), unter Mithilfe von Kolleg*innen der eigens dafür gegründeten „Bönninghausen AG“. Als sein Opus magnum kann sicher die Reihe „Materia medica revisa homoeopathiae“ bezeichnet werden, die aber nicht mehr zum Abschluss kam und derzeit 64 Bände Materia medica umfasst.
Zu Heilpraktiker*innen hatte der Arzt Gypser ein distanziertes, zuweilen gar schroff abweisendes Verhältnis, was ihm nicht unbedingt zu größerer Bekanntheit in unseren Kreisen verholfen hat. In einzelnen Fällen aber konnte er seine Ressentiments überwinden und sogar Freundschaften zu nicht-ärztlichen Kolleg*innen pflegen. Mir gegenüber war er in Gesprächen meist distanziert, aber immerhin freundlich. Umso erfreuter waren wir – Thomas Mickler und ich – über einen Besuch bei Gypser in Glees im Juli 2021, als er uns tatkräftig bei der „Komposition“ unseres Homöopathiekalenders unterstützte und durch seine beeindruckende Sammlung geleitete.
Nun wäre es nicht angemessen, Gypsers Einfluss auf die Homöopathie auf seine schriftstellerischen Leistungen zu beschränken, denn diese hatten erhebliche Auswirkungen. Selbstverständlich kann man die damit verbundene jüngere Entwicklung in der Homöopathie nicht allein ihm zuschreiben; wie oben bereits angedeutet, hatte Klaus-Henning Gypser natürlich Mitstreiter*innen, die – wie er – die genuine oder ursprüngliche Homöopathie wieder in die Wahrnehmung der Kolleg*innen rücken wollte. Ohne Gypser aber hätten wir damals von Bernhard Möller vermutlich keine so praktikable Arbeitsweise mit Bönninghausens TTB vermittelt bekommen, die wiederum letztlich einen Anstoß gab für die heute so genannte „Zeichenhomöopathie“ mit dem Werkzeug eines Symptomenlexikons. Im Soge dieser Entwicklungen konnten sich mutige Verleger an den Nachdruck der heute (wieder) wohlbekannten „Klassiker“ der o.g. Autoren wagen. An der Tatsache, dass nicht nur die Schriften Samuel Hahnemanns, sondern auch die Beiträge Bönninghausens, Jahrs, Herings für moderne Homöopath*innen zum selbstverständlichen Lehr- und Fortbildungsmaterial gehören, hat Gypser also großen Anteil. Und die Frage sei erlaubt, ob sich die Wiederentdeckung Bogers, die eingehende Rezeption G.H.G. Jahrs oder auch die Beschäftigung mit der Semiotik so entwickelt hätten, wenn nicht Klaus-Henning Gypser die Materialien uns dafür näher gebracht und zugänglich gemacht hätte.
So bedauerlich der Verlust von Dr. med. Klaus-Henning Gypser (27. 02. 1955–04. 09. 2024) vor allem für seine Liebsten ist, so dankbar darf man sein für das, was er uns durch sein Schaffen hinterlassen hat.
Mülheim, 16. 09. 2024 Stefan Reis
Zu Heilpraktiker*innen hatte der Arzt Gypser ein distanziertes, zuweilen gar schroff abweisendes Verhältnis, was ihm nicht unbedingt zu größerer Bekanntheit in unseren Kreisen verholfen hat. In einzelnen Fällen aber konnte er seine Ressentiments überwinden und sogar Freundschaften zu nicht-ärztlichen Kolleg*innen pflegen. Mir gegenüber war er in Gesprächen meist distanziert, aber immerhin freundlich. Umso erfreuter waren wir – Thomas Mickler und ich – über einen Besuch bei Gypser in Glees im Juli 2021, als er uns tatkräftig bei der „Komposition“ unseres Homöopathiekalenders unterstützte und durch seine beeindruckende Sammlung geleitete.
Nun wäre es nicht angemessen, Gypsers Einfluss auf die Homöopathie auf seine schriftstellerischen Leistungen zu beschränken, denn diese hatten erhebliche Auswirkungen. Selbstverständlich kann man die damit verbundene jüngere Entwicklung in der Homöopathie nicht allein ihm zuschreiben; wie oben bereits angedeutet, hatte Klaus-Henning Gypser natürlich Mitstreiter*innen, die – wie er – die genuine oder ursprüngliche Homöopathie wieder in die Wahrnehmung der Kolleg*innen rücken wollte. Ohne Gypser aber hätten wir damals von Bernhard Möller vermutlich keine so praktikable Arbeitsweise mit Bönninghausens TTB vermittelt bekommen, die wiederum letztlich einen Anstoß gab für die heute so genannte „Zeichenhomöopathie“ mit dem Werkzeug eines Symptomenlexikons. Im Soge dieser Entwicklungen konnten sich mutige Verleger an den Nachdruck der heute (wieder) wohlbekannten „Klassiker“ der o.g. Autoren wagen. An der Tatsache, dass nicht nur die Schriften Samuel Hahnemanns, sondern auch die Beiträge Bönninghausens, Jahrs, Herings für moderne Homöopath*innen zum selbstverständlichen Lehr- und Fortbildungsmaterial gehören, hat Gypser also großen Anteil. Und die Frage sei erlaubt, ob sich die Wiederentdeckung Bogers, die eingehende Rezeption G.H.G. Jahrs oder auch die Beschäftigung mit der Semiotik so entwickelt hätten, wenn nicht Klaus-Henning Gypser die Materialien uns dafür näher gebracht und zugänglich gemacht hätte.
So bedauerlich der Verlust von Dr. med. Klaus-Henning Gypser (27. 02. 1955–04. 09. 2024) vor allem für seine Liebsten ist, so dankbar darf man sein für das, was er uns durch sein Schaffen hinterlassen hat.
Mülheim, 16. 09. 2024 Stefan Reis