Neues Phytocannabinoid in Viola odorata entdeckt
Neues Phytocannabinoid in Viola odorata entdeckt
Das therapeutische Potenzial von Cannabinoiden wird aufgrund der bewusstseinsverändernden Effekte und des Suchtpotenzials kontrovers diskutiert. Nun haben Forschende ein neues Phytocannabinoid in Duftveilchen entdeckt. Die Substanz interagiert mit einem bestimmten Rezeptor-Typ, der keine psychoaktive Wirkung auslöst und Chancen birgt für die Erforschung und Entwicklung neuartiger Medikamente zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Schmerzen oder chronischen Entzündungen.
Das Duftveilchen (Viola odorata) wird seit Jahrhunderten in der persischen und indischen Ethnomedizin eingesetzt. Mancherorts greift man bis heute zur Behandlung von Schmerzen oder Entzündungen der Atemwege oder des Darms auf verschiedene Zubereitungen aus der wohlriechenden Blume zurück. Dank intensiver Forschungen ist bereits eine Reihe von Inhaltsstoffen wie z. B. Zyklotide des Veilchens bekannt, die therapeutisch wertvolle Eigenschaften haben. So wird z. B. ein dem nun entdeckten vodo-C1 verwandtes Zyklotid (T20K), welches aus einer afrikanischen Heilpflanze isoliert wurde, als mögliches Medikament gegen Multiple Sklerose untersucht.
Ein Forscherteam der MedUni Wien entdeckte nun einen bisher unbekannten Wirkstoff in Duftveilchen, der therapeutisch eingesetzt werden könnte. Für die aktuelle Studie hatte sich das Wissenschaftlerteam der MedUni Wien auf einen bestimmten zellulären Rezeptor konzentriert, der eine wichtige Rolle bei der Regulation des Immunsystems spielt und aktuell in der Wissenschaft als große Hoffnung z. B. in der Schmerzbehandlung oder Wundheilung gilt: der Cannabinoid-Typ-2-Rezeptor (CB2R). Dieser wird im Gegensatz zum Cannabinoid-Typ-1-Rezeptor (CB1R) nicht mit psychoaktiven Wirkungen von Cannabinoiden in Verbindung gebracht und kann immunmodulierende und entzündungshemmende Prozesse in Gang setzen, sobald er aktiviert wird. Trotz intensiver Forschung zur Entwicklung von CB2R-selektiven Therapeutika, hat bisher keines den strengen präklinischen Bewertungen standgehalten, sodass es aktuell keinen derartigen Arzneistoff gibt.
Auf der Suche nach Substanzen, die mit CB2R interagieren, entdeckte das Forschungsteam den Wirkstoff in Duftveilchen (Viola odorata), es handelt sich um das isolierte Phytocannabinoid-Peptid namens vodo-C1, das als vollwertiger Agonist am CB2R wirkt. Das bedeutet, dass dieses pflanzliche Cannabinoid selektiv an den CB2R bindet und diesen aktivieren kann, ohne dabei den Cannabinoid-Typ-1-Rezeptor anzuregen, welcher psychoaktive Wirkungen auslöst.
Hohe Wirksamkeit und großes Potenzial
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden bestimmte Peptid-Substanzen entwickelt (sog. allosterische Modulatoren), die die Wirkung von (endogenen) Cannabinoiden verstärken können, indem sie die Aktivität des CB2-Rezeptors gezielt beeinflussen. Damit eröffne ihre Forschung neue Möglichkeiten für die Entwicklung von CB2R-basierten Medikamenten mit weniger Nebenwirkungen, fassen die Studienautoren die Relevanz ihrer Ergebnisse zusammen.
Viola odorata in der Homöopathie
Die Arzneimittelprüfung von Viola odorata wurde (unter Beteiligung Samuel Hahnemanns) von Gustav Wilhelm Groß durchgeführt und 1829 in Band 8 der Zeitschrift „Archiv für die homöopathische Heilkunst“ (Heft 2, Seite 182-187) veröffentlicht. Mit lediglich 70 Symptomen fiel diese Prüfung jedoch mager aus und leider gibt es keine nennenswerten Nachprüfungen, was insgesamt dazu führt, dass Viola o. ein sehr selten verordnetes Arzneimittel ist. Bei genauer Betrachtung der von verschiedenen Probanden beobachteten Prüfungssymptome Nr. 2–12 zeigt sich aber eine deutliche kognitive Beeinträchtigung, die vor dem Hintergrund des neu entdeckten Phytocannabinoids womöglich besonders beeindruckt:- „Verschwinden der Gedanken auf Augenblicke.“
- „Unzusammenhängende Ideen, von denen eine die andere verdrängt, und deren keine er jedoch zu fassen vermag; doch bleibt seine Urtheilskraft, daß er weiß, wie wenig man ihn verstanden haben würde, wenn er seine Gedanken ausgesprochen hätte; er ist daher still, doch auch meistens unfähig, auch nur ein Wort von seinen Phantasieen auszusprechen.“
- „Gedankenverwechselung; wenn er einen Gedanken durch Worte ausdrücken wollte, so war dieser gleich weg und ein andrer, fremdartiger fiel ihm dafür ein, und auf den erstern konnte er sich dann nicht wieder besinnen.“
- „Krankheit der Phantasie; es kommen Bilder vor die Phantasie, er strengt sich an, sie zu betrachten und, ehe er es kann, sind sie verschwunden. (n. 8 St.)“
- „Es entstehen nur immer halbe Ideen, welche bekannt zu seyn scheinen; er will sie an die gehörige Stelle ordnen und kann sie nicht festhalten; er beeifert sich, die andre Hälfte davon zu ergänzen, aber in demselben Augenblicke wird die halbe Idee schon wieder von einer andern unvollkommenen Idee verdrängt und so fort; ein Gedanke jagt den andern, doch sinds nur immer halbe Gedanken, die er nicht festhalten, nicht ausdenken kann; die Urtheilskraft aber bleibt, er merkt die fehlerhafte Phantasie, kann sich aber nicht helfen; dabei hat er die Miene des Sinnens und der Niedergeschlagenheit.“
- „Große Gedächtnißschwäche, 24 Stunden fortdauernd.“
- „Abneigung vom Reden (Maulfaulheit), Düsterheit und hypochondrische Stimmung mit Gedächtnißschwäche. (n. 1 ½ St.)“
- "Gedächtnißschwäche; wenn er beim Lesen zu Ende einer Periode war, hatte er das erste schon wieder vergessen.“
- „Erhöhete Munterkeit, eine halbe Stunde lang (n. 1 St.); dann schweres Nachdenkensvermögen, eine ganze Stunde lang. (n. 1 ½ St.)“
- „Vorzüglicher Scharfsinn, welcher lange anhält.“
- „Besonders starke Gehirnkräftigkeit und Seelenthätigkeit, bei fortwährend schwachem Gedächtnisse mit nachfolgendem Kopfweh. (n. 9 St.)“
So augenfällig diese spezifische Wirkung zu sein scheint, dürfte eine zuverlässige Verordnung von Viola o. mangels differenzierender Symptome derzeit nur selten gelingen. Klinische Erfahrungen liegen bislang auch kaum vor; überwiegend wurde die Arznei bei rheumatischen Leiden eingesetzt. Eine Nachprüfung wäre gewiss wünschenswert.