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Neue Theorie zu Arteriosklerose stellt bisherige Lehrmeinung in Frage

Neue Theorie zu Arteriosklerose stellt bisherige Lehrmeinung in Frage Neue Theorie zu Arteriosklerose stellt bisherige Lehrmeinung in Frage Fotolia #56779039 © Christoph Burgstedt

Ein Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover stellt die gängige Theorie zur Entstehung von Arteriosklerose in Frage. Aufgrund seiner Beobachtungen und Studien folgert er: Nicht Fette aus dem Blut, sondern Versorgungsstörungen der Arterienwand führen zu Ablagerungen in der Gefäßinnenwand und lösen Arterienverkalkung aus.

Bisher sind Wissenschaftler und Mediziner davon ausgegangen, dass Arterien z.B. der Herzkranzgefäße verkalken, weil sich Fette aus dem Blut an der Innenwand der Blutgefäße anlagern. Als Reaktion des Immunsystems bilden sich dort die sogenannten Plaques, die mit der Zeit das Gefäß verstopfen können, so die gängige Lehrmeinung. Der Herzchirurg Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), stellt diese Theorie nun in Frage. Er vertritt vielmehr einen neuen Erklärungsansatz: Die Fettablagerungen kommen nicht aus dem Blut, sondern sind vielmehr Überreste abgestorbener Zellen der Gefäßwand. Er widerspricht damit der bisherigen Meinung zur Ursache der Arteriosklerose.

Ein Infarkt der Arterienwand

Auch Arterien benötigen eine eigene Versorgung ihrer Gefäßwand mit Sauerstoff und Nährstoffen. Dies geschieht über winzig kleine Versorgungsblutgefäße in der Außenwand der Arterie, den sogenannten Vasa vasorum. Verschließen sich diese, sterben Zellen vor allem in der mittleren Wandschicht ab: Es kommt zu einem Infarkt der Arterienwand.

Häufigster Auslöser solcher Verschlüsse sind Entzündungsreaktionen, die durch Viren, Bakterien und Feinstaub entstehen, aber auch durch schädliche Fettpartikel. Die abgestorbenen Zellen einschließlich der Fettreste werden nun vom Immunsystem abgebaut. Durch die Reparaturprozesse des Immunsystems entstehen dort „Zellabfälle“, die sogenannten Plaques, die zu einer Verdickung der Arterieninnenwand führen und schließlich einen Verschluss des Muttergefäßes herbeiführen können.

Beobachtungen im Operationssaal weckten Zweifel an Lehrmeinung

Zweifel an der gültigen Lehrmeinung kamen Haverich im Operationssaal. „Während Hunderter Bypassoperationen konnten wir feststellen, dass immer nur bestimmte Abschnitte der Herzkranzgefäße verkalkt waren, während dasselbe Gefäß an anderen Stellen niemals krankhaft verändert ist“, berichtet Haverich. Ähnliche Beobachtungen konnten bei Gefäßen im Oberschenkel gemacht werden. 

Gemeinsam war den arteriosklerosefreien Stellen, dass sie außen von Muskel umgeben waren. „Da alle kleineren Arterien des Menschen ohnehin nur selten betroffen sind, muss bezweifelt werden, dass der Prozess eine generalisierte Erkrankung darstellt, die an der Innenwand beginnt,“ so Haverich.

Neue Erkenntnisse untermauern seine Zweifel

Die Zweifel wurden genährt von der Entdeckung neuer Risikofaktoren für die Arteriosklerose wie der beobachtete Zusammenhang zwischen einer erhöhten Herzinfarktrate und dem Auftreten von Grippeepidemien mit Lungenentzündungen, aber auch mit Feinstaub-Exposition. Diese Zusammenhänge seien mit der bisherigen Theorie der erhöhten Blutfette allein nicht zu erklären, so der Wissenschaftler. Auch würden alte Veröffentlichungen auf Erklärungsansätze für die jüngsten, im Operationssaal gemachten Beobachtungen liefern.

Während seiner Recherchen sei er auf Veröffentlichungen gestoßen, die zum Teil mehr als 100 Jahre alt waren und die über aktuelle Literaturdatenbanken nicht mehr auffindbar sind. In diesen häufig in deutscher Sprache publizierten Schriften finden sich Erklärungsansätze für die jüngsten, im Operationssaal gemachten Beobachtungen. Sie untermauern seine Theorie der Versorgungsstörung der Arterienwand als Ursache für die Arteriosklerose: 1924, in Zeiten, in denen es noch keine Antibiotika gab, konnte der Pathologe Zinserling in St. Petersburg bei mehr als 300 Kindern, die an Infektionskrankheiten verstorben waren, regelmäßig arteriosklerotische Veränderungen beobachten. Für die Syphilis zeigte sich in Gewebeschnitten von massiv verkalkten und aneurysmatischen Aorten sogar unmittelbar der Zusammenhang zwischen entzündlichem Verschluss der Mikrozirkulation der Wand und noch darin befindlichen Krankheitserregern (Sprochäten).

In älteren tierexperimentellen Versuchsreihen (Kaninchen, Schwein) konnte durch Kompression der Arterienwand von außen und der damit verbundenen Unterbindung der Blutversorgung der Wand regelhaft eine Arteriosklerose ausgelöst werden. Führte man eine Wiederdurchblutung der Vasa vasorum herbei, bildete sich die Arteriosklerose wieder zurück. In weiteren Versuchen (Hund) führte eine Entfernung der äußeren Wandschicht, der Tunica adventitia, selbst bei Venen bereits nach Wochen zu Arteriosklerose, wie sie auch nach Bypass-Operationen zu beobachten ist.

Die neue Theorie zur Entstehung von Arteriosklerose bietet erweiterte Ansatzpunkte für die Entwicklung innovativer Behandlungsansätze der Erkrankung.

Die Studie finden Sie hier

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