Vitamin D-Supplementation – Wann nutzt sie?
Vitamin D-Supplementation – Wann nutzt sie?
Über Sinn und Nutzen einer Vitamin D-Supplementation besteht wissenschaftlich bei vielen Indikationen Uneinigkeit. Ein kanadisches Forscherteam untersuchte nun anhand von 1600 Studien, welcher gesundheitliche Nutzen einer Vitamin D-Supplementation „belegt“ ist. Ihr Ergebnis: Die Studienlage stütze eine Zufuhr von Vitamin D-Präparaten nur zur Prävention von Stürzen und Frakturen und zur Senkung der Mortalität bei älteren Menschen ab 70 Jahren. Der Streit um die Zufuhr von Vitamin D-Präparaten dürfte damit nicht beigelegt sein. Trotzdem möchten wir Ihnen das Ergebnis dieser Meta-Analayse kurz vorstellen.
Vitamin D gilt als „Sonnenvitamin“, da es vor allem unter Sonnenlichtbestrahlung im Körper gebildet wird. Zur Bedarfsdeckung von Vitamin D trägt insbesondere die körpereigene Synthese bei. Der Mensch ist in der Lage Vitamin D3 aus der Vorstufe 7-Dehydrocholesterol mithilfe von UVB-Licht in der Haut zu bilden. Aber auch bestimmte Nahrungsmittel (Milch, Eier, Butter, fette Fische wie Hering, Fischleber) enthalten Vitamin D.
Im Winter und bei unzureichender Zufuhr über die Nahrung kommt es zu einem Mangel. Dieser kann u.a. zu Störungen im Knochenaufbau und –abbau führen. Aber wissenschaftlich wird auch ein Zusammenhang mit Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen, Demenz, Autoimmunerkrankungen, Diabetes, Knochenbrüchen, Depressionen, rheumatoider Arthritis diskutiert. Doch was ist dran an diesen Assoziationen? Das fragten sich kanadische Wissenschaftler und werteten rund 1600 Studien zu Vitamin D aus. Sie haben dabei zehn weit verbreitete Überzeugungen in Bezug auf Vitamin D überprüft und kamen zu folgenden Ergebnissen:
- Wissenschaftliche Studien hätten belegt, dass Vitamin D der Sturzprophylaxe diene. Die Zahl von Stürzen bei älteren Menschen könne durch die Zufuhr des Vitamins wirklich reduziert werden.
- Auch könne die Zahl von Frakturen durch die Gabe mäßiger Dosen von Vitamin D (= 800 IU/Tag) zusammen mit Kalzium in niedriger oder mittlerer Dosis (etwa 500 mg/Tag) um ungefähr 10–15% gesenkt werden.
- Keine Belege gäbe es dafür, dass Vitamin D Atemwegsinfekte verhindern kann. Lediglich für Kinder in Entwicklungsländern bestehe die Möglichkeit eines Nutzens.
- Unklar ist die Datenlage bei der Frage, ob Vitamin D gegen Depressionen hilft. Hier gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. Es könne allerdings ausgeschlossen werden, dass das psychische Wohlbefinden der Allgemeinbevölkerung gebessert wird.
- Es lägen auch keine verlässlichen Belege vor, wonach sich mit Vitamin D rheumatoide Arthritis verhindern oder behandeln ließe.
- Die Supplementation von Vitamin D habe ebenfalls keinen klinischen Nutzen in der Therapie der Multiplen Sklerose.
- Eindeutige Effekte in Bezug auf die Sterblichkeit ließen sich für Vitamin D zwar nicht finden. Ausgeschlossen sei ein solcher Effekt jedoch nicht.
- Vitamin D reduziere die Krebsinzidenz nicht. Der Einfluss einer Vitamin D-Supplementation auf die Krebssterblichkeit sei wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
- Hochdosis-Gaben von Vitamin D (= 300.000 IU) (Einmalgaben) sollten nicht empfohlen werden, da sie das Sturz- und Frakturrisiko erhöhen.
- Tests zur Bestimmung des Vitamin D-Spiegels seien nur dann notwendig, wenn eine klinische Notwendigkeit besteht, etwa bei Erkrankungen der Nebenschilddrüsen. Spiegel = 50 nmol/l zeigen an, dass hinreichend viel Vitamin D vorhanden ist.
Das Fazit der Autoren
Gegenwärtig unterstütze die Nachweislage eine Supplementation von Vitamin D zur Prävention von Stürzen und Frakturen und zur Senkung der Mortalität bei Personen über Siebzig. Ein regelmäßiges allgemeines Screening der Vitamin D-Spiegel sei nicht nötig, und die Gabe sehr hoher Dosen solle vermieden werden.
Interessante Erklärungsansätze für heterogene Studienlage
Was offen bleibt, ist die Frage, wie es zu den zum Teil sehr stark abweichenden Studienergebnissen in puncto Vitamin D kommt. Der Amerikaner Bruce Hollis liefert mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu Vitamin D möglicherweise einen Erklärungsansatz. Er ist der Meinung, dass nicht nur 25(OH)D3 ausschlaggebend für die Effekte ist, sondern auch die Ausgangssubstanz Vitamin D3 (Calciol). Vor allen Dingen spiele aber Dosis und Arzneigabe eine entscheidende Rolle.
Die Ermittlung des Vitamin D-Status erfolgt über die Bestimmung des zirkulierenden 25-OH-D3-Spiegels im Serum. Hollis zufolge spielt jedoch die Ausgangssubstanz, also das Calciol, eine wichtige physiologische Rolle im endokrinen und autokrinen System. Vitamin D3 werde nicht nur in die Leber transportiert, sondern auch in zahlreiche Zellgewebe des Körpers, die aktivierende und Vitamin D25-Hydroxylase enthalten, Vitamin D3 in 25(OH)D wandeln und anschließend zirkulieren. So finde eine nicht zu unterschätzende autokrine Produktion von 25(OH)D3 in diesen Zellgeweben statt. Im Gegensatz zu 25(OH)D3 binde z. B. Vitamin D3 (Calciol) deutlich schwächer an Vitamin D-Rezeptoren und sei damit zellulär besser und auch schneller verfügbar. Dies seien Aspekte, die in der Vitamin D-Forschung zu wenig berücksichtigt würden und die Erklärungsansätze für die abweichende Studienresultate bieten könnten.
Auch die richtige Dosierung sei entscheidend. Studien würden die Notwendigkeit einer täglichen Gabe von Vitamin D in ausreichender Dosierung von 2.000 – 6.000 IU/d über mehrere Monate hinweg belegen. Hohe Einmalgaben oder Verabreichungen in Intervallen würden nicht dieselben konstanten zirkulierenden Vitamin D3 und 25(OH)D3-Konzentrationen bewirken.