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Dienstag, 22 Juli 2025 22:08

Die SPD und die Homöopathie – Offener Brief des VKHD

In der Politik gibt es immer wieder Bestrebungen, homöopathischen Präparaten den Arzneimittelstatus abzuerkennen. In unserem Offenen Brief erläutern wir, warum das keine gute Idee ist.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD,

die Therapiefreiheit der Heilberufe, die Autonomie der Patient*innen bei medizinischen Entscheidungen sowie Patientenschutz respektive Patientensicherheit sind maßgeblich für ein funktionierendes Gesundheitssystem in einer auf freiheitlich-demokratischer Grundordnung basierenden Gesellschaft. Sie sind nicht nur funktionell, sondern auch strukturell und gesellschaftlich von großer Bedeutung. Dies sollte bei programmatischen Positionierungen der Parteien berücksichtigt werden.

Der jüngst von der Hamburger SPD-Landesorganisation zum letzten Bundesparteitag eingebrachte und dort an die Bundesfraktion weitergeleitete Antrag „G28“ hat zum Ziel, den homöopathischen Präparaten den Arzneimittelstatus (und damit indirekt auch die Apothekenpflicht) zu entziehen. Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze ist dies auch unabhängig von einer persönlichen Einschätzung der Homöopathie als mögliche Therapieoption scharf zu kritisieren und in der Konsequenz abzulehnen.

Im Folgenden möchten wir unseren Standpunkt konkretisieren und um ein paar Aspekte erweitern.

Selbstbestimmtheit (Autonomie) der Patient*innen: Das Selbstbestimmungsrecht leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab, das in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützt ist. Es umfasst das Recht, über den eigenen Körper und medizinische Maßnahmen frei zu entscheiden. Die für eine freie Entscheidung unabdingbare Information sollte unseres Erachtens nicht durch den Gesetzgeber einseitig und voreingenommen formuliert werden. So ist die Bezeichnung der Homöopathie als „wirkungslos“ (wie im Antrag G28 nachzulesen) wissenschaftlich unseriös, weil sie insinuiert, dass ein Nachweis der Unwirksamkeit vorliege, was falsch ist. Auch die im Antrag nachzulesende Behauptung, dass es „keinerlei medizinische oder wissenschaftliche Belege“ für die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel gibt, ist irreführend. Korrekt ist, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien und Reviews vorliegen, die eine spezifische Wirksamkeit der Homöopathie über Plazeboniveau hinaus belegen (u.a. Hamre et al, 2023).

Patientenschutz und Patientensicherheit (1): Als weitestgehend nebenwirkungsfreie Therapie erwächst Patient*innen aus der Anwendung potenzierter Arzneimittel, deren Zubereitung den Herstellungsregeln des Homöopathischen Arzneibuchs (HAB) unterliegen, vorab schon mal kein Nachteil. Wir anerkennen das Problem, dass es in Einzelfällen gesundheitlich nachteilig sein kann, sich allein auf eine homöopathische Behandlung zu beschränken. Die Aufgabe, Patient*innen vor dahingehenden Fehlentscheidungen zu schützen und sie umfassend zu diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu beraten, obliegt in erster Linie den Behandelnden, wird aber vielfach auch von Mitarbeitenden in Apotheken übernommen. Der Wegfall der Apothekenpflicht wie auch die mutmaßlich zunehmende (nicht angeleitete) Selbstbehandlung mit homöopathischen Präparaten erschwert die Möglichkeit, etwaige Fehlentscheidungen oder Versäumnisse seitens der Patient*innen durch sachgerechte Beratung und Information zu vermeiden.

Patientenschutz und Patientensicherheit (2): Würde homöopathischen Mitteln der Arzneimittelstatus entzogen, fielen sie nicht mehr unter das Arzneimittelgesetz. Damit entfielen die strengen Anforderungen an Herstellung, Qualitätssicherung, Dokumentation, Zulassung und Überwachung durch die zuständigen Behörden. Die Herstellungsvorschriften des Homöopathischen Arzneibuchs (HAB) und des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.) wären dann nicht mehr verpflichtend anzuwenden. Stattdessen würden allgemeine Vorschriften für Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika greifen, die deutlich geringere Anforderungen an Qualität, Reinheit und Sicherheit stellen. Es gäbe keine behördliche Kontrolle über die Einhaltung spezifischer Herstellungs- und Prüfverfahren, keine verpflichtende Prüfung auf Identität und Reinheit der Ausgangsstoffe und keine verbindlichen Vorgaben zur Deklaration der Inhaltsstoffe. Die aktuell durch Arzneimittelstatus und Apothekenpflicht gewährleistete Qualität homöopathischer Arzneimittel schließt produktionsbedingte Gesundheitsrisiken nahezu gänzlich aus und leistet damit einen erheblichen Beitrag zu Patientenschutz und Arzneimittelsicherheit. Ergänzend sei hier noch erwähnt, dass ein „homöopathisches“ Arzneimittel sich nicht dadurch auszeichnet, dass darin keinerlei Wirkstoff mehr enthalten ist. Zahlreiche Ausgangsstoffe von Homöopathika sowie niedrig potenzierte Präparate haben durchaus chemische, klassisch-pharmakologisch definierbare Wirkungen.

Therapiefreiheit der Heilberufe: Grundsätzlich ist die Therapiefreiheit der Heilberufe in Deutschland als Ausdruck der Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich und berufsrechtlich abgesichert. Das gilt auch für Therapeut*innen, die die Homöopathie als Behandlungsoption anbieten. Sie verfügen über eine besondere Expertise in diesem Fachbereich und sind insofern in der Lage, im Einzelfall über die Indikation einer homöopathischen Behandlung zu entscheiden und dies ihren Patient*innen gegebenenfalls vorzuschlagen. Die verzerrte Darstellung dieser bewährten und etablierten Therapie, wie sie der Antrag G28 mitführt, dürfte den Behandelnden den Einsatz dieser Therapie in vielen Fällen erschweren.

Wissenschaftsfreiheit: immer wieder kommen Forschende zu dem Schluss, dass weitere Studien im Bereich der Homöopathie sinnvoll oder notwendig sind. Ein Verlust des Arzneimittelstatus für homöopathische Präparate würde die Bedingungen für wissenschaftliche Forschung in diesem Feld vermutlich deutlich erschweren. Forschungsförderung, Durchführung klinischer Studien und internationale Kooperationen wären davon ebenso betroffen wie die gesellschaftliche und akademische Wahrnehmung.

Fazit:

Der Antrag G28 geht von der nicht näher begründeten Annahme einer Wirkungslosigkeit der Homöopathie aus. Diese Annahme weisen wir zurück. Ungeachtet von Kontroversen dazu muss eine offizielle Positionierung der SPD die grundrechtlich garantierte Autonomie der Patient*innen, die Freiheit der Heilberufe und den durch Arzneimittelgesetz und Apothekenpflicht gewährleisteten Patientenschutz berücksichtigen. Mit anderen Worten: auch wer sich in der Frage der Wirksamkeit der Homöopathie nicht positionieren kann oder mag, kann einem Antrag wie diesem nicht zustimmen. Offen scheint auch, ob die SPD sich auf Diskurse einlassen will, die im politischen Feld potenziell gesellschaftsspaltend sind, oder durch ihr Kernthema einer grundrechtsbasierten Ausgestaltung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit erkennbar sein will.

Wir bitten die Abgeordneten der SPD, bei den anstehenden Beratungen über das Arzneimittelgesetz, bei denen auch über den oben genannten Antrag diskutiert und entschieden werden soll, die von uns angeführten Argumente zu berücksichtigen.

Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. (VKHD)
Im Juli 2025

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