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Misteltherapie verdient wissenschaftlich hochwertige Debatte

Misteltherapie verdient wissenschaftlich hochwertige Debatte Misteltherapie verdient wissenschaftlich hochwertige Debatte fotolia © sakura #32762940
Um ein aktuelles Review zur Misteltherapie ist ein wissenschaftlicher Streit entfacht. Der Vorwurf: Das Review, das zu dem Schluss gekommen war, dass ein positiver Effekt der Misteltherapie weder auf das Überleben noch auf die Lebensqualität nachgewiesen werden könne, entspreche nicht wissenschaftlichen Standards.


Viele Krebspatient*innen wenden ergänzend Verfahren aus der Komplementärmedizin an, darunter auch die Misteltherapie. Umso wichtiger, sind wissenschaftlich fundierte Aussagen zu den Möglichkeiten der Misteltherapie. Bisher fehlen allerdings noch evidenzbasierte Richtlinien zur Anwendung der Misteltherapie in der Onkologie. Doch ist eine S3-Leitlinie zu integrativen Therapien in der Onkologie in Entwicklung, die Ende 2020 erscheinen soll. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wissenschaftliche Arbeiten zur Misteltherapie nach wissenschaftlichen Standards erstellt werden, da sich die Leitlinien-Autoren darauf stützen werden.

Nun ist ein Streit entbrannt über ein zweiteiliges Review von Freuding et al. Die Review-Autoren waren zu dem Schluss gekommen, dass es keine wissenschaftlich belegten Effekte der Misteltherapie auf das Überleben oder die Lebensqualität gibt. Kritiker verschiedener Fachrichtungen hatten direkt nach Erscheinen der Analyse die Herausgeber der Fachzeitung darauf hingewiesen, dass das Review die eigenen Ansprüche der Autoren*innen nach Wissenschaftlichkeit nicht erfülle. Nun wurde eine ausführliche Überprüfung des Reviews veröffentlicht. Anhand des Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Intervention und unter Nutzung des AMSTAR 2 tools formulieren sie Kritik in insgesamt sechs Bereichen, darunter Unvollständigkeiten (z.B. Ausschluss von Studien, lediglich randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) in deutscher und englischer Sprache wurden betrachtet), Intransparenz der Methodik (z.B. Kriterien zur Auswahl der einbezogenen Literatur), fehlende Durchführung einer Meta-Analyse trotz ausreichender Studien sowie eine fehlerhafte und unzureichende Bewertung des Risikos von Verzerrungen. Ausserdem werfen die Kritiker*innen dem Review Ungenauigkeit vor. Insgesamt seien zwar 14 Studien zum Überleben bei Freuding et al. aufgeführt, aber nur 12 in der entsprechenden Übersichtstabelle gelistet. Zudem zeige sich u.a. eine Diskrepanz zwischen der Zahl der reviewten Studien und den Outcomes.

Auch die Schlussfolgerungen selbst überraschen: Obwohl in 14 Studien eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität, in zwei Studien ein positiver Trend und nur in einer Studie kein Effekt nachgewiesen wurde, kommen die Review-Autor*innen zu dem Schluss, dass eine Misteltherapie keinen Einfluss auf die Lebensqualität habe.

Debatte auf hohem Niveau gefordert

„Die Debatte um die Wirksamkeit der Misteltherapie wird immer wieder kontrovers geführt. Wir müssen uns dabei auf Daten stützen können, die wissenschaftlichen Standards entsprechen“, kommentiert Prof. Dr. med. Harald Matthes, Ärztlicher Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe und Inhaber der Stiftungsprofessur an der Charité Universitätsmedizin Berlin. „Das ist beim vorliegenden Review jedoch nicht der Fall, so dass aus der Arbeit keine aussagekräftigen Schlussfolgerungen gezogen werden können“.

Leitlinien-Arbeit zur Integrativen Onkologie

Dabei wären qualitativ hochwertige Forschungsarbeiten zur Misteltherapie gerade jetzt besonders wichtig, da in diesem Jahr die Veröffentlichung einer erstmaligen S3-Leitlinie zu integrativen Therapien in der Onkologie ansteht: „Die Entscheidung, ob die Misteltherapie aufgenommen wird, hängt natürlich von der wissenschaftlichen Bewertung zu dieser Therapieoption ab“, ergänzt Dr. med. Friedemann Schad, Leiter des zertifizierten Onkologischen Zentrums am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe. „Wir haben angeregt, dass das Review überarbeitet wird, da die Arbeit den Kriterien eines systematischen Reviews nicht ausreichend entspricht. Das Ziel muss ja sein, Ärzt*innen und Gesundheitsfachleuten Daten zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die richtigen Entscheidungen auf dem Boden evidenz-basierter Empfehlungen treffen können.“

Stand der Debatte

Untermauert wird die Kritik am Freuding-Review im Übrigen auch durch zwei neue Publikationen – ein wissenschaftliches Review (Ostermann et al.) sowie eine Metaanlyse (Loef M, Walach H) – aus diesem Jahr, die zu gänzlich anderen und positiven Ergebnissen für die Misteltherapie kommen.
Weitere Infos zur Erforschung der Misteltherapie gibt es unter www.mistel-therapie.de

Publikationen

M. Freuding, C. Keinki, O. Micke, J. Buentzel, and J. Huebner: Mistletoe in oncological treatment: a systematic review. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology, vol. 145, no. 3, 695–707, 2019

M. Freuding, C. Keinki, S. Kutschan, O. Micke, J. Buentzel, and J. Huebner: Mistletoe in oncological treatment: a systematic review. Journal of Cancer Research and Clinical Oncology, vol. 145, no. 4, 927–939, 2019

Statement zum Review

Matthes H, Thronicke A, Hofheinz R-D, Baars E, Martin D, Huber R, et al. Statement to an Insufficient Systematic Review on Viscum album L. Therapy. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine 2020; 2020: 1–9

Quelle

Pressemitteilung des Dachverbands Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD) e.V. und Informationen der Carstens Stiftung
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