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Wie sich COVID-19 auf das Gehirn auswirkt

Wie sich COVID-19 auf das Gehirn auswirkt Wie sich COVID-19 auf das Gehirn auswirkt AdobeStock #78320972 ©Thaut Images
Noch immer ist nicht abschließend geklärt, wie neurologische Symptome bei COVID-19 zustande kommen. Liegt es daran, dass SARS-CoV-2 das Gehirn infiziert? Oder sind die Beschwerden eine Folge der Entzündung im Rest des Körpers? Eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin liefert jetzt Belege für letztere Theorie.


Kopfschmerzen, Gedächtnisprobleme oder Fatigue sind nur einige der neurologischen Beeinträchtigungen, die während einer Corona-Infektion auftreten und auch darüber hinaus andauern können. Forschende vermuteten schon früh in der Pandemie, dass eine direkte Infektion des Gehirns die Ursache dafür sein könnte. Einen eindeutigen Beleg dafür, dass das Coronavirus im Gehirn überdauern oder sich gar vermehren kann, gibt es allerdings bislang nicht. Dazu wäre zum Beispiel ein Nachweis intakter Viruspartikel im Gehirn nötig. Die Hinweise, dass das Coronavirus das Gehirn befallen könnte, stammen stattdessen aus indirekten Testverfahren und seien deshalb nicht ganz stichhaltig, so ein Wissenschaftlerteam von der Charité.

Einer zweiten These zufolge wären die neurologischen Symptome stattdessen eine Art Nebenwirkung der starken Immunreaktion, mit der der Körper sich gegen das Virus wehrt. Vergangene Studien hatten auch hierfür Anhaltspunkte geliefert. Die aktuelle Charité-Arbeit untermauert nun diese Theorie, mit umfassenden molekularbiologischen und anatomischen Ergebnissen aus Autopsie-Untersuchungen.


Keine Anzeichen einer direkten Infektion des Gehirns

Für die Studie analysierte das Forschungsteam verschiedene Bereiche des Gehirns von 21 Menschen, die aufgrund einer schweren Corona-Infektion im Krankenhaus, zumeist auf der Intensivstation, verstorben waren. Zum Vergleich zog es neun Patient*innen heran, die nach intensivmedizinischer Behandlung anderen Erkrankungen erlegen waren. Die Forschenden prüften zunächst, ob das Gewebe sichtbare Veränderungen aufwies, und fahndeten nach Hinweisen auf das Coronavirus. Dann ermittelten sie durch die detaillierte Analyse von Genen und Proteinen, welche Vorgänge in einzelnen Zellen vonstattengingen.

Wie andere Forschungsteams auch konnten die Charité-Wissenschaftler*innen in einigen Fällen das Erbgut des Coronavirus im Gehirn nachweisen. SARS-CoV-2-infizierte Nervenzellen haben sie jedoch nicht gefunden. Sie gehen deshalb davon aus, dass Immunzellen das Virus im Körper aufgenommen haben und dann ins Gehirn gewandert sind. Sie tragen noch immer Virus in sich, es infiziert aber keine Gehirnzellen. Das Coronavirus hat also andere Zellen des Körpers, nicht aber das Gehirn befallen.


Gehirn reagiert auf Entzündung im Körper

Dennoch beobachteten die Forschenden, dass bei den COVID-19-Betroffenen die molekularen Vorgänge in manchen Zellen des Gehirns auffällig verändert waren: Die Zellen fuhren beispielsweise den sogenannten Interferon-Signalweg hoch, der typischerweise im Zuge einer viralen Infektion aktiviert wird. Sie vermuten daher, dass einige Nervenzellen offenbar auf die Entzündung im Rest des Körpers reagieren. Diese molekulare Reaktion könnte die neurologischen Beschwerden von COVID-19-Betroffenen gut erklären, so die Forschenden. Zum Beispiel können Botenstoffe, die diese Zellen im Hirnstamm ausschütten, Fatigue verursachen. Denn im Hirnstamm liegen Zellgruppen, die Antrieb, Motivation und Stimmungslage steuern.

Die reaktiven Nervenzellen fanden sich hauptsächlich in den sogenannten Kernen des Vagusnervs, also Nervenzellen, die im Hirnstamm sitzen und deren Fortsätze bis in Organe wie Lunge, Darm und Herz reichen. Die Wissenschaftler*innen interpretieren ihre Daten vereinfacht ausgedrückt so, dass der Vagusnerv die Entzündungsreaktion in unterschiedlichen Organen des Körpers „spürt“ und darauf im Hirnstamm reagiert – ganz ohne eine echte Infektion von Hirngewebe. Auf diese Weise übertrage sich die Entzündung gewissermaßen aus dem Körper ins Gehirn, was dessen Funktion stören kann.


Zeitlich begrenzte Reaktion

Die Nervenzellen reagieren dabei nur vorübergehend auf die Entzündung, wie ein Vergleich von Menschen zeigte, die entweder während der akuten Corona-Infektion oder erst mindestens zwei Wochen danach verstorben waren. Am stärksten ausgeprägt während der akuten Erkrankung, normalisierten sich die molekularen Veränderungen anschließend wieder – jedenfalls in den allermeisten Fällen.

Die Studienautor*innen schreiben abschließen, dass sie es für möglich halten, dass eine Chronifizierung der Entzündung bei manchen Menschen für die oft beobachteten neurologischen Symptome bei Long COVID verantwortlich sein könnte. Um dieser Vermutung weiter nachzugehen, plant das Forschungsteam nun, die molekularen Signaturen im Hirnwasser von Long-COVID-Patient*innen genauer zu untersuchen.

Anmerkung: Derartige Erkenntnisse sind für Homöopath*innen womöglich nicht uninteressant – insbesondere, wenn sie so genannte „organotrope“ Aspekte bei der Arzneiwahl berücksichtigen oder auch semiotische Überlegungen in die Fallanalyse einfließen lassen.


Originalpublikation

Radke J, Meinhardt J, Aschman T et al. Proteomic and transcriptomic profiling of brainstem, cerebellum and olfactory tissues in early- and late-phase COVID-19. Nat Neurosci. 2024 Mar; 27(3): 409-420. doi: 10.1038/s41593-024-01573-y

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin
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